Bernhard Jaumann: Caravaggios Schatten

Bernhard Jaumann: Caravaggios Schatten

Buchteddy in Dresden-Pieschen: ein Paradies für Bücherfans! Dieses Antiquariat bietet enorm günstige Bücher, viele Taschenbuchausgaben für 0,50 bis 1,50 Euro. Warum erzähle ich das? In diesem überraschend gut sortierten Laden finden sich auch einige lesenswerte Krimis. „Caravaggios Schatten“ von Bernhard Jaumann zum Beispiel.

Gewöhnlich gehe ich bei der Suche nach Kriminalliteratur systematisch vor. Blick auf die Krimibestenliste von Deutschlandfunk Kultur, Recherche bei ausgewählten Verlagen wie dem Polar Verlag, Besuch renommierter Krimiblogs. Die Zeit ist zu kostbar, um sich durch 0815-Krimis zu quälen. Davon gibt es bekanntermaßen massenweise.

Dieses Mal stehe ich aber ohne konkretes Ziel vor dem Krimiregal im Buchteddy. Ich greife das Buch von Jaumann heraus: Kunstkrimi? Warum nicht? Zumal der Autor bereits renommierte Preise wie den Deutschen Krimipreis gewonnen hat.

Kunstdetektiv in München: Gemälde als Tatort

Bei „Caravaggios Schatten“ handelt es sich um den zweiten Band einer Kunstkrimi-Reihe, in deren Zentrum die Kunstdetektei von Schleewitz in München steht. Rupert von Schleewitz und sein Team beschäftigen sich eigentlich mit typischen Recherchen im Kunstbereich, sie kümmern sich zum Beispiel um Gemälde unklarer Herkunft und gestohlene Bilder. Bernhard Jaumann lässt Rupert, die Kunstexpertin Klara und den Recherche-Spezialisten Max aber in größere und komplexe Kriminalfälle schlittern.

Schlittern ist auch bei „Caravaggios Schatten“ die passende Beschreibung: Eigentlich will Rupert bei seinem alten Schulfreund Alban in Potsdam nur eine Kurzvisite machen. Der ehemalige Mitschüler hatte darauf gedrängt, Ruperts Motivation ist gering. Er lässt sich dennoch dazu überreden, gemeinsam mit Alban die Bildergalerie im Park des Schlosses Sanssouci zu besuchen. Vor dem Gemälde „Der unrühmliche Thomas“ des bekannten italienischen Malers Caravaggio eskaliert die Situation unvermittelt: Alban rastet aus und fügt dem wertvollen Gemälde mit einem Messer schwere Beschädigungen zu.

Rupert findet sich in Untersuchungshaft wieder, weil die Behörden ihn für einen Mittäter halten. Dabei bleibt es nicht: Als das Museum das Gemälde zum Restaurierungsinstitut fahren lässt, überfallen Räuber den Transporter und stehlen das Gemälde. Artnapping.

Zwei spannende Fälle in einem Krimi

Bernhard Jaumann gelingt ein Kunststück: Er verknüpft mit dem Gemälde zwei separate Straftaten. In der Folge beschäftigen sich Rupert und sein Team mit dem Messerattentat und dem Gemälderaub. Die Schwerpunkte der Teammitglieder ändern sich im Lauf der Handlung. Zuerst konzentriert sich Rupert auf seinen ehemaligen Mitschüler. Plötzlich verliert er das Interesse und lenkt seine gesamte Aufmerksamkeit auf das Artnapping. Dafür sucht Max mit zunehmendem Eifer eine Antwort auf die Frage, warum Alban Caravaggios Bild malträtiert hat.

Das Motiv Albans scheint mit der gemeinsamen Vergangenheit in einem bayerischen Internat zusammenzuhängen. Blockt Rupert deshalb? Was ist damals in Rannertskirchen passiert?

Und schaffen es Rupert, Klara und Max, den „Unrühmlichen Thomas“ wiederzubeschaffen?

Kunstkrimi mit spannender und kreativer Story

Der Autor entfaltet in Caravaggios Schatten eine facettenreiche Kriminalgeschichte. Zugleich porträtiert er vielfältige Orte: das elitäre Internat im fiktiven Rannertskirchen. Den oberbayerischen Wohnort von Klaras Vater, einem starrköpfigen Künstler in konservativer Umgebung. Die Sicherheitsbehörden in Potsdam, die unter medialem und politischem Druck stehen. Die populistische Tendenz in der Medienberichterstattung arbeitet er geschickt heraus, die zweifelhafte Umgebung des katholischen Internats schildert er eindrucksvoll.

Die Figur des Ruperts bleibt aber oberflächlich. Was bewegt diesen Mann? Leser können es nur erahnen. Vermutlich ist das gewollt. Klara thematisiert diese Oberflächlichkeit gleich zu Beginn des Krimis. Für sie ist Rupert nur ein Arbeitgeber, den sie dank seiner Art im Beruflichen unkompliziert findet. Als Männertyp findet sie ihn allerdings unattraktiv, sie kritisiert die mangelnde Fähigkeit zur Selbstreflexion.

Als positiv erweist sich, dass Jaumann mit vielfältigen Stilmitteln arbeitet. Von Pressekonferenzen im Wortlaut über ein Minutenprotokoll bis zu einer erfundenen Pressemeldung der Bild-Zeitung: Diese Einschübe sorgen für Tempo und Lesevergnügen. Auf ihre Kosten kommen zudem alle Kunstinteressierten. Der Autor setzt sich intensiv mit dem Werk von Caravaggio auseinander, Leser lernen nebenbei viel über die Interpretation von Gemälden.

„Caravaggios Schatten“ von Bernhard Jaumann bei Thalia kaufen. Oder in der lokalen Buchhandlung.

Meine Rezension beruht auf:

Bernhard Jaumann: Caravaggios Schatten, 2021, Galiani Berlin (Taschenbuch), 304 Seiten