Krimibestenliste: Wegweiser im unübersichtlichen Krimimarkt

Krimibestenliste: Wegweiser im unübersichtlichen Krimimarkt

Viele literarisch Interessierte winken bei Krimis ab. Sie verbinden mit diesem Genre seichte Bücher zum Ablenken – ohne literarischen Anspruch und ohne gesellschaftliche Relevanz. Diese Haltung lässt sich erklären: Verlage und Self-Publisher überfluten den Büchermarkt mit Massenware. Es fällt schwer, den Überblick zu behalten, qualitativ hochwertige Krimis gehen häufig unter. Mit Regionalkrimis, Cosy-Krimis und Co. Lässt sich Geld verdienen, große Verlagshäuser pumpen entsprechend viel Geld in das Marketing. Kleinere Krimiverlage wie der Polar Verlag in Stuttgart, der Argument Verlag mit ariadne in Hamburg und Pulp Master in Berlin haben das Nachsehen.

Erschwerend kommt hinzu, dass die Abneigung gegen die angeblich minderwertige Kriminalliteratur in Deutschland eine lange Tradition hat. Hierzulande ist die Unterscheidung zwischen U- und H-Kunst beliebt – viele rechnen Krimis der Unterhaltung zu und betrachten sie als „Abfallprodukt des literarischen Marktes“1, wie Wolfgang Brylla im Vorwort zu „Facetten des Kriminalromans. Ein Genre zwischen Tradition und Innovation“ konstatiert.

Ein engagierter Kämpfer gegen diese plumpe Einteilung ist der Literaturkritiker Tobias Gohlis. 2005 rief er die bis heute monatlich erscheinende Krimibestenliste ins Leben. Zusammen mit anderen Jurymitgliedern präsentiert er auf dieser Liste literarisch anspruchsvolle Kriminalromane aus aller Welt. Die Deutschlandfunk Kultur Krimibestenliste ist ein unverzichtbarer Wegweiser für alle, die sich für Krimis auf hohem Niveau interessieren. Zugleich macht sie Krimi-Skeptiker auf gute Kriminalliteratur aufmerksam. Tobias Gohlis und die Jury der DLF Krimibestenliste erreichen sicherlich auch viele, die bei der Genrebezeichnung „Krimi“ ansonsten mit Abwehrreflexen reagieren.

Krimibestenliste: Geschichte und heutige Situation

Die Anfänge dieses Rankings wurzeln im Jahr 2005. Im April erschien die erste Ausgabe der Krimibestenliste, damals unter der Bezeichnung KrimiWelt-Bestenliste. Diese Bezeichnung weist darauf hin, dass die Zeitung „Die Welt“ zu den Herausgebern gehörte. Auch Arte Deutschland und das Nordwestradio beteiligten sich. Diese Anfangsphase zeigt zugleich plastisch auf, wie sich die damalige Zeit von heute unterscheidet: Im ersten Jahr versandte der Springerverlag die Krimibestenliste noch per Brief an Buchhandlungen. Später erfolgte der Versand als pdf-Dokument im Rahmen eines Newsletters.

Im Jahr 2010 kam es zu einer Namensänderung: Fortan hieß das mittlerweile etablierte Krimi-Ranking KrimiZEIT-Bestenliste. Wie zuvor zeigte die Bezeichnung für jeden offensichtlich auf, wer die Herausgabe verantwortete. 2016 folgte die nächste Wandlung: Unter dem bis heute gültigen, schlichten Namen Krimibestenliste übernahmen die Frankfurter Allgemeine Zeitung und Deutschlandfunk Kultur die Krimibestenliste. Die Frankfurter zogen sich Ende 2020 aber zurück, seitdem ist der öffentlich-rechtliche Radiosender der einzige Herausgeber.

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Krimibestenliste von 2005 bis heute: 1. Plätze des Jahres

Bei der Premieren-Ausgabe der KrimiWelt-Bestenliste im April 2005 wählte die Jury „Tiefer Schmerz” von Arne Dahl (Werbe-Link zu Thalia)2 auf den ersten Platz. In diesem und den Folgejahren präsentierten Tobias Gohlis und Co. am Jahresende eine zusätzliche Jahresbestenliste. Hier die jeweiligen Gewinnerinnen und Gewinner im Überblick (inklusive Verlag und Land der Krimihandlung):

  • 2006: Robert Littell: Die Kalte Legende, Scherz Verlag (internationaler Agententhriller)
  • 2007: James Sallis: Driver, Liebeskind (USA)
  • 2008: Richard Stark: Fragen Sie den Papagei, Zsolnay (USA)
  • 2009: Roger Smith: Kap der Finsternis, Tropen (Südafrika)
  • 2010: Don Winslow: Tage der Toten, Suhrkamp (USA / Mexiko / Mittelamerika)
  • 2011: Dominique Manotti: Roter Glamour, Argument Verlag mit ariadne (Frankreich)
  • 2012: Fred Vargas: Die Nacht des Zorns, Aufbau Verlag (Frankreich)
  • 2013: Patrícia Melo: Leichendieb, Tropen (Brasilien)
  • 2014: James Lee Burke Regengötter, Heyne Hardcore (USA)
  • 2015: Merle Kröger: Havarie, Argument Verlag mit ariadne (Mittelmeer / Spanien)
  • 2016: Garry Disher: Bitter Wash Road, Unionsverlag (Australien)
  • 2017: Oliver Bottini: Der Tod in den stillen Winkeln des Lebens, DuMont (Rumänien / Deutschland)
  • 2018: Hideo Yokoyama: 64, Atrium Verlag (Japan)
  • 2019: –
  • 2020: Garry Disher: Hope Hill Drive, Unionsverlag (Australien)
  • 2021: Merle Kröger: Die Experten, Suhrkamp (Ägypten / Deutschland)
  • 2022: Riku Onda: Die Aosawa-Morde, Atrium Verlag (Japan)
  • 2023: James Kestrel: Fünf Winter, Suhrkamp (Japan / China / USA)

Für das Jahr 2019 habe ich keine Jahres-Krimibestenliste gefunden. Eventuell lag dies an den Umstellungen in dieser Phase, zum Jahreswechsel stieg die FAZ aus der Krimibestenliste aus.

Bei einem Blick auf diese Aufzählung fallen mehrere Aspekte auf: So enthält sie viele kleinere Verlage, Beispiele sind der Atrium Verlag, der Argument Verlag mit ariadne und der Liebeskind Verlag. Zudem sticht die enorme Präsenz internationaler Krimis heraus. Die Krimibestenliste deckt vielfältige Länder ab, wobei der Schwerpunkt auf den USA und Europa liegt. In den vergangenen Jahren gewinnen insbesondere Krimis aus Japan an Bedeutung, das machen die Auszeichnungen für Hideo Yokoyama und Riku Onda deutlich.

Besondere Erwähnung verdienen die deutsche Krimiautorin Merle Kröger und der australische Krimiautor Garry Disher: Beide eroberten zwei Mal den ersten Platz der Krimibestenliste von Tobias Gohlis!

Wo ist die aktuelle Deutschlandfunk Kultur Krimi Bestenliste zu finden?

Tobias Gohlis veröffentlicht die Bestenliste für Krimis jeden Monat auf seiner Homepage als pdf-Dokumente. Dort finden Interessierte auch alle alten Krimibestenlisten ab 2005. Zudem kommentiert Gohlis das Krimi-Ranking auf seinem Blog Recoil.

Die aktuelle Krimibestenliste von DLF Kultur präsentiert auch das CulturMag/CrimeMag inklusive Links zu einzelnen Krimirezensionen.

Bei Deutschlandfunk Kultur hören oder lesen Krimifans einzelne Rezensionen zu den vertretenen Krimis.

  1. Wolfgang Brylla: Statt eines Vorwortes: Krimis sind eben nicht nur Krimis, in: ders. / Eva Parra-Membrives: Facetten des Kriminalromans. Ein Genre zwischen Tradition und Innovation, Tübingen 2015, S. 7 – S.24, hier: S. 8 ↩︎
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