Deutscher Krimipreis setzt Impulse: Geschichte und Gegenwart
Bis in die 1980er galt Kriminalliteratur als Unterhaltung ohne literarischen Anspruch. In Deutschland, muss ich hinzufügen. Insbesondere in den USA gab es nie diese strikte Trennung zwischen angeblicher Krimi-Trivialliteratur und richtiger Literatur. Dank Pionieren wie Raymond Chandler und Dashiell Hammett genossen gut geschriebene Krimis in den Vereinigten Staaten früh hohes Ansehen.
Nicht so in Deutschland, zum Ärger enthusiastischer Fans hochwertiger Kriminalromane. Warum schreibe ich das? Der Unmut über die verbreitete Ignoranz in den 80er-Jahren und der Deutsche Krimipreis hängen eng miteinander zusammen, das eine führte zum anderen.
Beim Bochumer Stadtmagazin lernen sich zwei Liebhaber der Kriminalliteratur kennen: der Journalist Reinhard Jahn und der Werbetexter Werner Puchalla. Zusammen beschließen sie, dem Krimigenre größere Aufmerksamkeit zu verschaffen. Am 26. März 1984 gründen sie das Bochumer Krimi Archiv, das Datum wählen sie bewusst: Es handelt sich um den 25. Todestag von Raymond Chandler.
Knapp ein Jahr später ruft der Verein den ersten Deutschen Krimipreis aus, damals noch Deutscher Krimi Preis geschrieben. Die erste Gewinnerin in der Kategorie „National“ ist Helga Riedel, die den Preis für ihre miteinander verwobenen Krimis „Einer muß tot“ und „Wiedergänger“ erhält. In der Kategorie „International“ freut sich Alan Furst über den ersten Platz für seine Bücher „Tödliche Karibik“ und „Geschäfte im Schatten“.
Deutscher Krimipreis: Kriterien, Auswahlverfahren und Jury
Bereits mit dem ersten Deutschen Krimipreis 1985 machen die Verantwortlichen klar, wen sie auszeichnen wollen. Autorinnen und Autoren, die dem Krimigenre neue Impulse verleihen. Helga Riedels Krimi „Einer muß tot“ erfüllt diesen Anspruch exemplarisch. Anna heiratet einen in Deutschland lebenden Türken ohne Aufenthaltsstatus, es kommt zur Katastrophe. Diese kurze Inhaltsangabe weist darauf hin, dass es sich um keinen 0815-Krimi der damaligen Zeit handelte.
Neue Impulse setzen, Schreibräume erweitern, die Kriminalliteratur auf hohem Niveau vorantreiben: Dieses Ziel verfolgt das Bochumer Krimi Archiv als Träger des Preises bis heute. Auch am grundlegenden Verfahren halten die Verantwortlichen fest. Eine Bewerbung für den Deutschen Krimipreis ist nicht möglich – die Jury bestimmt die infrage kommenden Krimis selbst. Jedes Mitglied kann entsprechende Vorschläge machen.
Voraussetzung ist, dass der jeweilige Kriminalroman im aktuellen Jahr in Deutschland das erste Mal erschienen ist: als deutsche Original-Ausgabe oder übersetzte Erstausgabe. Zudem muss sich das Werk anfassen lassen und zwischen zwei Buchdeckeln befinden, E-Books ignoriert die Jury bisher.
Die Kategorien für den Deutschen Krimipreis und die Anzahl der Preise ist seit dem Deutschen Krimipreis 1985 unverändert. In den beiden Kategorien „National“ und „International“ freuen sich je drei Personen über eine Platzierung. Die Jury bezieht sich jeweils auf ein Werk, die Doppeltnennungen bei der Premiere stellten eine Ausnahme dar. Ein Preisgeld ist beim Deutschen Krimipreis nicht vorgesehen – die Geehrten profitieren aber von dem Renommee dieser bekannten Auszeichnung.
Bis zum Deutschen Krimipreis 2019 fand die Verleihung im Januar für das Vorjahr statt. Seitdem erfolgt sie Ende Dezember für das laufende Jahr.
Last, not least: Wie setzt sich die Jury beim Deutschen Krimipreis zusammen? Sie besteht momentan aus 29 Mitgliedern: Literaturkritikerinnen, Literaturwissenschaftler, Buchhändlerinnen und Krimiblogger. Seit 2019 ist Kirsten Reimers die Sprecherin der Deutsche-Krimipreis-Jury, sie löste den Gründer Reinhard Jahn in dieser Funktion ab.
Vielfach preisgekrönt: Peter Zeindler, Denise Mina und Co.
Ein Blick auf die mittlerweile lange Liste an Ausgezeichneten zeigt einige Auffälligkeiten. Einzelne Krimiautoren und Krimiautorinnen nahmen den Deutschen Krimipreis mehrfach entgegen. Hierzu zählt Peter Zeindler: Ihm gelang das Kunststück, im Zwei-Jahrestakt vier Mal den ersten Platz zu belegen. 1986 erhielt er diesen deutschen Literaturpreis für den Krimi „Der Zirkel“, es folgten Auszeichnungen für „Widerspiel“, „Der Schattenagent“ und „Feuerprobe“ (Werbe-Link zu Medimops)1.
Diesen Erfolg teilte sich Zeindler mit dem US-Autor Ross Thomas, der den ersten Platz beim Deutschen Krimipreis „International“ mit den Krimis „Mördermission“, „Schutzwall“, „Am Rande der Welt“ und „Die im Dunkeln“ (Werbe-Link zu Thalia)2 zwischen 1986 und 1996 errang. Im Gegensatz zu Zeindlers Bücher, die nur noch antiquarisch erhältlich sind, gibt es die Krimis von Ross Thomas beim Alexander Verlag in Berlin als Neuausgaben.
Besondere Erwähnung verdient Frank Göhre, der mit dem größten zeitlichen Abstand Plätze beim Deutschen Krimipreis erlangte. 1987 beförderte ihn die Jury mit „Der Schrei des Schmetterlings“ auf den zweiten Platz, beim Deutschen Krimipreis 2020 zeichnete sie ihn für „Verdammte Liebe Amsterdam“ (Werbe-Link zu Thalia)3 mit dem dritten Platz aus.
Seit der Gründung dieses Literaturpreises gibt es gewisse Häufungen, manche Autorinnen und Autoren stechen heraus: In den letzten Jahren würdigte die Krimipreis-Jury zum Beispiel mehrfach und berechtigt Merle Kröger, Oliver, Bottini, Max Annas, Denise Mina und Garry Disher.
Renommiertester Krimipreis in Deutschland mit wertvoller Funktion
Niemand dürfte es ernsthaft bestreiten: Diese Auszeichnung ist der bedeutendste deutsche Literaturpreis im Krimigenre. 1985 leisteten Reinhard Jahn und Werner Puchalla Pionierarbeit mit dem ersten unabhängigen Jurypreis für Krimis – seitdem hat der Deutsche Krimipreis nichts an seiner Bedeutung eingebüßt. Er gibt genauso wie die Krimibestenliste wertvolle Orientierung!
Weiterführende Links:
Hier noch ein schönes Fundstück aus dem Archiv der taz, die 1990 über die Verleihung des Deutschen Krimipreises durch das Bochumer Krimi Archiv berichtete. Wie so häufig bei der taz, eine lesenswerte Schlagzeile: BKA vergibt Preise für Mord
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