Frauke Turm: Zugeschanzt

Frauke Turm: Zugeschanzt

Mitte der 2000er eskalierte in Hamburg der Konflikt um den Wasserturm – einem prestigeträchtigen Objekt im widerständigen Stadtteil Sternschanze. Eine prominente Anwohnerin nahm dies zum Anlass, unter dem Pseudonym Frauke Turm einen Krimi zu schreiben. In „Zugeschanzt“ zeichnet die Autorin die vermeintlichen Abläufe hinter den Kulissen nach. „Fiktion entlang der Realität“ nennt sie das in ihrem Vorwort.

Im Juni 2007 eröffnete das Mövenpick Hotel im alten Wasserturm, im selben Jahr veröffentlichte der Hamburger Argument Verlag mit Ariadne Frauke Turms „Zugeschanzt“. Die Kombination aus Pseudonym und Titel weist nahezu aufdringlich auf das kommunale Thema dieses Buchs hin. Doch handelte es sich überhaupt um ein rein lokales Thema? Der Konflikt um den Wasserturm im Sternschanzenpark machte weit über Hamburg hinaus Schlagzeilen. Das lag an der enormen Mobilisierung der linken Szene, heftige Auseinandersetzungen mit der Polizei und der Symbolträchtigkeit dieses traditionsreichen Baus. Wem gehört die Stadt? Den Bewohnern oder Investoren?

Hamburg-Krimi: Kapitalinteresse schlägt Gemeinwohl

Während Frauke Turm „Zugeschanzt“ schrieb, war der Hotelbau bereits im Gange. Das Projekt erhitzte aber weiter die Gemüter: Nun befürchteten Anwohner, dass die Hotelbetreiber auch den Schanzenpark für ihre Zwecke umgestalten lassen wollten.

Hier setzt die Autorin ein: Ihre Hauptfigur Roland Bufkop arbeitet im Gartenamt des Bezirks und ist für die Gestaltung des Parks verantwortlich. Die Autorin zeichnet Bufkop als Beamten, der konsequent an das Allgemeinwohl denkt. Entsprechend lehnt er das Ansinnen der Investoren ab. Es ist ein einsamer Kampf, die mächtigen Geschäftsmänner wissen, welche Strippen sie ziehen müssen.

Ein toter Arbeiter auf der Baustelle. Komische Vorgänge in einem Nagelstudio. Der neue Job von Bufkops Ehefrau bei einem Landschaftsplanungsbüro. Ein Drogenermittler. Aufregung im Viertel.

Ich beschränke mich auf diese knappe Aufzählung. „Zugeschanzt“ zeichnet sich durch viele Handlungsstränge aus – zu viele. Widmen wir uns lieber der Frage, wer sich hinter dem Pseudonym Frauke Turm verbirgt.

Wer ist Frauke Turm?

Hinter dem Pseudonym steckt die Journalistin Dr. Frauke Höbermann, die „Zugeschanzt“ nicht nur als politisch denkende Zeitgenossin geschrieben hat. Zugleich war sie als Anwohnerin auch unmittelbar Betroffene des Umbauvorhabens. Bei meiner Recherche bin ich auf ein kurioses Fundstück getroffen: Am 12. August 2019 widmete sich die Hamburger Morgenpost einer Eichhörnchen-Plage rundum den Schanzenpark. Als Leidtragende kommt ausführlich Dr. Höbermann zu Wort. Sie beklagt sich, dass die Eichhörnchen Balkon und Wohnung stürmen würden. Die MOPO zitiert sie in der Printausgabe mit folgenden Worten: „Ich fand Eichhörnchen immer ganz süß, aber jetzt nicht mehr.“

Der Argument-Verlag stellt die Autorin auf der Rückseite dieses Taschenbuchs als pensionierte Gerichtsreporterin vor. Diese Beschreibung trifft zwar zu, greift aber viel zu kurz. Dr. Höbermann engagierte sich im Wissenschaftsbereich: In den 1970ern half sie dem bedeutenden Zeitungswissenschaftler Kurt Koszyk, das Institut für Journalistik an der TU Dortmund aufzubauen. Später leitete sie das Bildungswerk des Deutschen Journalisten-Verbands (DJV). Aus ihrer Feder stammen diverse Werke im Bereich der Gerichtsreportage, so veröffentlichte sie zusammen mit anderen Autoren das Standardwerk „Gerichtsreporter. Praxis der Berichterstattung“ (Berlin 2005).

Im Jahr 2022 verstarb Dr. Frauke Höbermann. Das gab der DJV in seinem Newsletter bekannt.

Interessantes zeitgeschichtliches Dokument, schwacher Krimi

Diesem Buch verdanke ich zwei spannende Erlebnisse: Erstens lohnt es sich, anhand von „Zugeschanzt“ die Geschichte über diesen erbittert geführten Kampf um den Schanzenpark nachzulesen. Zweitens packte mich der Rechercheeifer, als ich mich mit der Person Frauke Turm beziehungsweise Dr. Höbermann befasste. Wer war Frauke Turm? Diese Frage ließ sich nicht so einfach beantworten, es bedurfte tieferer Internetrecherchen.

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Es fällt mir dagegen schwer, die Krimihandlung mit dem Begriff „Spannung“ in Zusammenhang zu bringen. Die Autorin konstruiert in überbordendem Eifer Handlungsstränge, weil sie auf sämtliche Probleme bei diesem Projekt hinweisen will. Gentrifizierung, Korruption, schlechte Arbeitsbedingungen auf dem Bau: Das sprengt den Rahmen.

Erschwerend kommt hinzu, dass sie in diesem Krimi manche unlogischen, tendenziell hanebüchenen Einfälle verarbeitet hat. Mir fehlt bei den Figuren auch die wünschenswerte Tiefe, sie sind oberflächlich-schablonenhaft. Welche Zeitung haben Bufkop und seine Frau abonniert? Die taz! Damit jeder Leser wirklich weiß, dass die beiden das Herz am richtigen Fleck haben.

Die taz nimmt in „Zugeschanzt“ sowieso eine prominente Rolle ein. Im Laufe der Geschichte greift eine taz-Journalistin ein, in einem Café am Sternschanzenpark rauchen die Insassen nicht nur Joints, sie lesen auch…: die taz!

Nun besitze ich zwar seit rund 20 Jahren einen Genossenschaftsanteil der taz – damals mit dem Entlassungsgeld des Zivildienstes finanziert. Aber selbst mir als taz-Genosse ist die häufige Nennung zu überbordend.

Gleichwohl: Als zeitgeschichtliches Dokument leistet dieser Hamburg-Krimi gute Dienste. Er schildert diesen Konflikt prägnant, lobenswert sind auch die politischen Analysen.

Lohnt er aber der Lektüre? Ich formuliere es vorsichtig: Es finden sich sicherlich bessere Krimis, welche die Gentrifizierung thematisieren.

Dieses Buch gibt es nur noch direkt beim Verlag oder bei Händlern wie Booklooker in gebrauchter Form.

Die Rezension beruht auf dieser Ausgabe:

Frauke Turm: Zugeschanzt, 2007, Argument Verlag mit Ariadne (Taschenbuch), 192 Seiten

Weiterführende Lesetipps:

Zu den Auseinandersetzungen um den Schanzenturm und den Schanzenpark finden sich viele Presseartikel. Einen guten Überblick bietet dieser bereits 2005 erschienene Artikel der Jungle World: „Scheitern als Schanze“