Dominique Manotti: Abpfiff
Dieser Fall geht dem Pariser Commissaire Théo Daquin besonders nahe: Vor einem Einkaufszentrum eröffnen Täter auf einem Motorrad das Feuer, eine Frau und ein Mann sterben. Beim Mann handelt es sich um seinen Kollegen Romero. Daquin und sein Team im Drogendezernat geben alles, um die Verantwortlichen zu finden. Konsequent, akribisch, teilweise illegal und brutal: Auch Bedrohungen und Misshandlungen von Verdächtigen sowie Zeugen gehören zum Repertoire Daquins.
Zugleich kämpft kaum jemand so effektiv gegen die Mächtigen wie dieser Commissaire, der keine Furcht kennt und dessen handlungsleitendes Prinzip die Gerechtigkeit ist. Robuste Ermittlungsmethoden und Furchtlosigkeit erweisen sich auch bei diesem dritten Fall der Daquin-Reihe als wichtig: Die Spur führt zum Profi-Fußballverein FC Lisle-sur-Seine, dessen Präsident ein mächtiger Lokalpolitiker und Unternehmer ist.
Fußball als sozialer Volkssport? Als Freizeitaktivität, welches das Allgemeinwohl fördert? So stellen es die Fußballverbände gerne dar, gerade auch bei so Großereignissen wie der aktuell stattfindenden EM. Dominique Manotti belehrt uns mit ihrem Fußballkrimi „Abpfiff“ eines Besseren – erschienen 2015 im Argument Verlag mit ariadne, im Original bereits 1998 unter dem Titel „Kop“.
Manottis „Abpfiff“: Fußball und das verführbare Volk
Schnell wird klar, dass es bei diesem Fall um Drogenkriminalität geht. Am Tatort findet die Polizei eine beträchtliche Menge Kokain. Doch warum traf sich Romero mit der ebenfalls getöteten Nadine Speck, ohne seinem Vorgesetzten Bescheid zu geben? Das erhöht den Druck auf Daquin. Er will rasch die Wahrheit herausfinden. Und hofft, dass Romero keine roten Linien übertreten hat.
Die Täter entpuppen sich als Stümper. Zwei junge Männer, die das Attentat für Geld ausgeführt haben. Das bringt die Ermittler aber nicht weiter, die Hintermänner bleiben im Dunkeln.
Cover und Link zum Argument Verlag mit ariadne
Auf den Fußballverein FC Lisle-sur-Seine stößt Daquin unweigerlich – ohne einen konkreten Verdacht zu hegen. Der Bruder von Nadine Speck arbeitet dort als Stadionwart. Daquin trifft auf den Vereinspräsidenten Jean-Pierre Reynaud, der zugleich Bürgermeister von Lisle-sur-Seine und wichtiger Bauunternehmer ist. Daquins erster Eindruck:
Ein zwanghafter Verführer an allen Fronten. Spontanes Misstrauen.
Dominique Manotti: Abpfiff, S. 33
Ein Mann mit großer Macht, der seinen Verein von einem Erfolg zum nächsten führt. Binnen acht Jahren von einer Amateurliga in die 1. Liga. Momentan steht der Klub kurz vor der Meisterschaft, die Massen strömen bei Spielen ins Stadion. Der Bürgermeister profitiert, beträchtliche Teile des Volks lieben ihn. Er lädt Daquin, der sich nicht für Fußball interessiert, zum nächsten Spiel ein. Dort nimmt er auf der Ehrentribüne Platz, „über hundert Männer, nicht eine Frau“ (S. 42).
Daquin erlebt ein inszeniertes Spektakel, das allen Ultras die Tränen in die Augen treibt. Keine Freudentränen. Alles von Reynaud erdacht und finanziert:
„Das ist Reynauds Obsession, seit er Vereinspräsident ist. Ein Publikum aus den Vorstädten anlocken, aus dem echten Volk. Er hat es verstanden, eine Show aufzuziehen, die ankommt.“
Dominique Manotti: Abpfiff, S. 44
Reynaud: die allmächtige Figur. Selbstverständlich zieht er auch bei der Polizei die Fäden und verfügt über beste Verbindungen in höchste politische Kreise. Das wird er Daquin noch spüren lassen.
Werbung:
Drogen, Fußball, Macht – ein Abgrund
Dominique Manotti schneidet in diesem Fußballkrimi zahlreiche Themen an. Im typischen Manotti-Stil: im Präsenz geschrieben, prägnant, kein Wort zu viel. Atemberaubend zu lesen, das Tempo ist hoch!
Zugleich ein bitterböser Abgesang auf den Profifußball:
„Ich habe Fußball immer verabscheut. Diese Brutalität, diese Spieler, die man kauft und verkauft wie Vieh, die tobenden Massen, sie sich manipulieren lassen … ein Sport …“
„Fürs Volk, Herr Richter, fürs Volk.“
Dominique Manotti: Abpfiff, S. 193/194
Die bekannte Krimiautorin prangert aber nicht nur das Investitionsobjekt Profifußball an – mit allen seinen Schattenseiten wie Doping, Konkurrenzdenken und einem fragwürdigen Selbstverständnis fast aller Sportjournalisten. Mit Wut im Bauch schreibt sie gegen die gesamte herrschende Klasse an, gegen Politiker und Wirtschaftsbosse sowie Sicherheitsbehörden als deren Werkzeuge.
„Kennst du einen einzigen Banker, der auf die Durchführung einer großen Finanztransaktion verzichten würde, nur weil sie ihm illegal erscheint?“
Dominique Manotti: Abpfiff, S. 161
Manches hat sich verändert. Vieles nicht. 1998 geschrieben, 1990 spielend – dennoch aktueller denn je. Lesen! Kritisch bleiben! Und zum Amateurfußball gehen!
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„Abpfiff“ von Dominique Manotti bei Thalia kaufen.1 Direkt beim Verlag oder in der lokalen Buchhandlung.
Diese Krimirezension basiert auf folgender Ausgabe:
Dominique Manotti: Abpfiff, 2016, Argument Verlag mit ariadne (eBook), 230 Seiten
Weiterführende Lesetipps und Informationen:
- Als Fan im Profifußball gegen Kommerzialisierung kämpfen oder lieber zum Amateurfußball gehen? Diese Frage stellen sich viele Fußballbegeisterte, die Antwort fällt unterschiedlich aus. Die Mehrheit zieht den attraktiven Profifußball vor, das zeigen die vollen Stadien. In vielen Vereinen kämpfen Fangruppierungen gegen die Auswüchse der Kommerzialisierung und speziell gegen die Macht von Investoren. Mit dem Bündnis aktiver Fußballfans (BAFF) gibt es einen vereinsübergreifenden Zusammenschluss.
- In Zeitschriften wie der deutschen „11Freunde“ und dem österreichischen „ballesterer“ finden sich vielfältige kritische Artikel zu den Schattenseiten des Profifußballs.
- Manottis „Abpfiff“ stand im Juni 2015 auf dem zweiten Platz der Krimibestenliste.
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