Sara Paretsky: Killing Orders (Fromme Wünsche)

Sara Paretsky: Killing Orders (Fromme Wünsche)

Die taffe Privatdetektivin V. I. Warshawski hat nicht die besten Beziehungen zu ihrem überschaubaren, übrig gebliebenen Kreis an Verwandten: Das ließ Autorin Sara Paretsky bereits in den ersten beiden Bänden dieser famosen und bis heute fortlaufenden Reihe durchblicken. In der dritten Folge sind diese Verwandtschaftsbeziehungen zentrales Thema.

Ungeliebte Großtante bietet Vic um Hilfe

Ihre Großtante Rosa sieht sich dazu veranlasst, Vic in ihrer Eigenschaft als Privatdetektivin um Hilfe zu bitten. Sie kümmert sich in einem Dominikanerkloster um die Finanzen – dank einer Spende verfügt es über eine beträchtliche Anzahl an Wertpapieren mit einem Gesamtwert von fünf Millionen US-Dollar. Die Wertpapiere verwahrt das Kloster trotz des hohen Werts unzureichend gesichert in einem Safe innerhalb des Gebäudes. Als der Orden einen Teil dieser Aktien verkaufen will, um dringend erforderliche Reparaturen zu bezahlen, identifiziert sie der zuständige Broker als Fälschung. Alle Personen mit Zugang zum Tresor inklusive Rosa geraten unter Verdacht.

Vic soll helfen und lässt sich überreden: Bereits beim ersten Zusammentreffen mit Rosa und ihrem bei ihr lebenden Muttersöhnchen geht es hoch her. Rosa hatte Vics verstorbene Mutter schlecht behandelt – Vic verabscheut sie deshalb. Ihre Mutter hat ihr auf dem Sterbebett aber das Versprechen abgenommen, der Familie stets beizustehen. Sie hält sich daran und beginnt mit den Ermittlungen. Zu ihrer Überraschung zieht Rosa kurz danach ihren Auftrag zurück. Kenner von Warshawski-Krimis werden es ahnen: Davon lässt sich Vic nicht abhalten.

Komplexe Ermittlungen: Vic kann sich auf ihr kleines Netzwerk verlassen

Vic ist Einzelkämpferin, gleichwohl verfügt sie über einen kompetenten Kreis an Freunden und Bekannten. Dazu gehört Murray Ryerson, der als Kriminalreporter für die Lokalzeitung Herald-Star schreibt. Manchmal ist er Vics Lover, meist setzt sie ihn gezielt für ihre Ermittlungsarbeiten ein. Auch ihre Freundin Dr. Charlotte Herschel ist wieder mit von der Partie. Ihr 82-jähriger Onkel, der früher als Fälscher Geld verdiente, unterstützt Vic: Ihre Freundin ist davon nicht begeistert. Vics Bekannte Agnes Paciorek arbeitet als Brokerin und erweist sich mit ihrem Wissen und Kontakten ebenfalls als nützlich. Last, not least: Vics britischer Geliebter aus dem letzten Band wurde von seiner Versicherung erneut nach Chicago geschickt. In seiner Interimsfunktion als Leiter des US-Standorts muss er sich mit einer ungewöhnlich starken Nachfrage nach den Aktien seiner Versicherungsgesellschaft auseinandersetzen. Die meisten Leser werden sofort vermuten: Eventuell könnte das im Zusammenhang mit Vics Fall stehen. Manche der genannten Personen geraten aufgrund des Falls in akute Gefahr – alle werden nicht überleben.

Paretsky legte diese Folge 1985 vor und begeisterte erneut mit einer facettenreichen und sympathischen Hauptfigur sowie einer spannenden Geschichte. Die Autorin zeigt mit diesem Krimi eindrucksvoll ihr Interesse für wirtschaftliche und politische Zusammenhänge. Das kann bei ihrer Biografie nicht verwundern: Sie arbeitete mehrere Jahre lang als Verkaufsmanagerin einer Chicagoer Versicherung. Paretsky erklärt die zum Teil komplexen Vorgänge an der Börse verständlich, ohne in den Tonfall eines Lehrbuchs zu verfallen. Zudem thematisiert sie prägnant diverse gesellschaftliche Konfliktfelder.

Ein Highlight ist Vics erster Besuch im Dominikanerkloster, wo sie mit einem Mönch aufgrund des politischen Einflusses der katholischen Kirche und deren Haltung zur Abtreibung in Streit gerät. Aus der Zeit gefallen wirkt die Beschreibung eines Besuchs im Mercantile Club, in dem laut Vic bis vor wenigen Jahren keine Frauen zugelassen waren. Weiterhin weigern sich einige ältere Kellner, Tische mit anwesenden Frauen zu bedienen. Zum Glück schreiben wir mittlerweile das Jahr 2022 und solche Erzählungen erscheinen weit weg.

Auch heute noch: Die frühen Warshawski-Krimi sind lesenswert!

Die dritte Folge der Warshawski-Reihe lohnt die Lektüre: Der zeitliche Abstand verstärkt das Lesevergnügen noch. Im Zeitalter von Smartphones amüsiert es, wenn Vic ihren Antwortservice anruft und telefonisch schwer erreichbar ist. Aber das ist nur ein zusätzlicher Grund, diesen Krimi zu lesen. Die Figuren überzeugen genauso wie dieser Wirtschaftskrimi im von Migranten geprägten Chicago der 1980er. Zugleich ist es einer von Paretskys persönlichsten Krimis, wie sie im Nachwort (S. 631) feststellt. Bei der Immigrationsgeschichte von Vics Mutter hat sie sich an der Geschichte ihrer eigenen Mutter orientiert. Leser erfahren auch einiges über Paretskys familiären Hintergrund.

Die Rezension bezieht sich auf diese Ausgabe:

Sara Paretsky: Killing Orders, 2011, HarperCollings Publisher (E-Book), 638 Seiten (Original ist 1985 erschienen)

Deutsche Ausgabe:

Sara Paretsky: Fromme Wünsche, 2018 Piper Verlag (E-Book), 227 Seiten

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